Bilder sind visuelle Provokationen. Wenngleich totes Material, wirken sie lebendig, fordern unseren Blick. Sie schauen uns an, bewegen unseren Geist. Ihre Motive sind verschlüsselte Rätsel, ihre Symbolik und ihre Aura prägen ihr Geheimnis.
So auch die Gemälde von Jakob Scheidt. Seine Bilder sind Erzählungen mit offenem Ende. Der Künstler zeigt bedeutungsschwangere Figuren in distanzierter Selbstbezogenheit. Ihre Dechiffrierung überlässt er der Betrachterin und dem Betrachter.
Die lyrischen Texte von Franz X. Scheuerer zu den Bildern von Jakob Scheidt sind annähernde Deutungen.
Die Behauptung:
Künstliche Intelligenz generiert „Kunst“!
Doch ist es überhaupt Kunst? Und wie positionieren sich Künstlerinnen und Künstler dazu?
Sollen sie diese Entwicklung ignorieren oder müssen sie sich sogar mit den neuen Möglichkeiten auseinandersetzen?
Claudia Berg als IT-Designerin und Franz X. Scheuerer als Lyriker haben sich auf ein Experiment mit der KI-generierten künstlichen „Kunst“ eingelassen.
Wenn Eros und Ego sich in der Kunst begegnen, geben sich kreative Selbstbezogenheit und weltoffene Neugierde ein vielversprechendes Stelldichein. Dies ist bei Luisa Frühling der Fall, denn sie changiert in ihrer ästhetischen Arbeit zwischen Selbstbehauptung und Selbsthingabe. Als Künstlerin, die ihre Weiblichkeit und ihren künstlerischen Eros offensiv präsentiert, lehnt Luisa Frühling gleichzeitig das kunsthistorisch gerne zitierte Attribut der femme fatale als zu kurz gedacht und plakativ ab, denn bei genauerer Betrachtung zeigen sich hinter der Fassade ihres Aufbegehrens, schmerzliche Erfahrungen und Verletzungen einer Frau ihrer Zeit. Luisa Frühling betont in ihrer künstlerischen Arbeit das erotische Motiv. Dabei belässt sie es nicht bei der Darstellung von menschlichen Körpern und sinnlichen Positionen. Stets ist sie auf der Suche nach Elementen aus Flora und Fauna, die in ihren Bildern mit der menschlichen Lebenswelt verwoben sind. Mittels Form, Farbe und Komposition bringt die Künstlerin in nahezu überladenen Gemälden die natürlichen Reize zum Schweben und Schwingen und belebt damit unsere Sinne. Letztendlich kreist die Malerei von Luisa Frühling um unser aller Ego und Eros.
Franz X. Scheuerer
Johannes Groht
21 Lichtbilder
1989, eine Reise nach Budapest. Wir waren Zaungäste grundstürzender politischer Veränderungen. Wir fanden keinen Platz mehr im Café Gerbeaud, dem legendären Kaffeehaus, weil es voller Deutscher war. Die großen Schlagzeilen ihrer BILD-Zeitungen verkündeten, dass am Abend des 30. September die Ausreise der fast 6.000 DDR-Flüchtlinge aus der bundesrepublikanischen Botschaft in Prag genehmigt worden war. Während die berühmt gewordene Ansprache des Außenministers Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon im Jubel unterging, waren wir unterwegs, in den Kellern des einzigen Punk-Clubs, dem Schwarzen Loch. Die Kamera war zu Hause geblieben, ganz bewusst …
Fotografien von Johannes Groht
Lyrische Texte von Franz X. Scheuerer
THE HINTERLAND, L‘HINTERLAND, EL HINTERLAND, HINTERLÂNDIA – das Hinterland ist überall. Es liegt jenseits der alltäglich gewohnten, geschäftigen Welt. Es ist der wenig beachtete Hintergrund, auf dem die Metropolen gedeihen. Es ist Erhabenheit und Weite, Großzügigkeit und Schönheit.
Wir kennen diese Landschaft als kultiviertes Naherholungsgebiet oder beängstigende Wild- nis, als auszubeutendes Rohstoffvorkommen oder zeitlosen Sehnsuchtsort. Wir kartografieren und katalogisieren, verändern und verbrauchen sie. Wir betrachten Landschaft in Bildern. Wir lesen sie durch den Filter fremder oder eigener Vor- stellungen. Sind diese Bilder der Landschaft
ein Fenster zur Welt, oder sind sie ein Spiegel unserer selbst? Sind sie Ausblick oder Einblick?
Diese Fragen lotet Johannes Groht mit seinen Fotografien aus. Das unfassbare Hinterland ist dabei stets ein konkreter Ort, ob in Deutschland, der Schweiz, in Italien oder Griechenland. Seine Ferne erregt Neugierde. Als sichtbares Etwas wird es zum Symbol für das Erkennbare und dennoch Unerreichbare.
Franz X. Scheuerer nähert sich den Bildern mit lyrischen Texten. In seinen Bildbefragungen sucht er die Landschaften zu entziffern und begibt sich auf die Spuren seiner Assoziationskraft und Wahrnehmungscodes. Seine Textfragmente deuten die Bilder lyrisch aus und ergänzen ihre visuelle Aussage.
H I N T E R L A N D – unser landschaftliches Unter- bewusstsein. Ein Raum, den wir flüchtig streifen und doch nicht wirklich sehen.
relegere. Aus dem Lateinischen: wieder lesen, es überdenken. Aus diesem Selbstverständnis entwickelt Katrin Evers die transzendenten Motive ihrer künstlerischen Arbeit. Dabei geht es ihr um die Deutung und Aktualisierung religiöser Erzählungen über alle Konfessionen hinaus. Aus dieser Perspektive beobachtet, erwägt und interpretiert sie Themen ihrer Zeit und ihrer Lebenswelt. Dabei ist ihre Malerei nicht sakral im Sinne künstlerischer Einengung auf ein traditionelles Weltbild. Vielmehr lässt sie, jenseits konfessioneller Festlegung, aus ihrer weltanschaulichen Vogelperspektive geschichtliche Überlieferungen in ihre Seelenbilder einfließen. Katrin Evers kreiert symbolträchtige Werke, die vom humanistischen Menschenbild der Künstlerin zeugen.
Franz X. Scheuerer
„Irren ist menschlich“ sprach der Mensch zum Irrtum.
Entgegnete der Irrtum: „Als Entschuldigung
will ich dir gerne nützlich sein.
Deine Fehler nimmst du aber bitte auf die eigene Kappe.“
(FXS 2019)
Die Texte in diesem Büchlein sind zwischen Neujahr 2019/20 und Januar 2023 entstanden.
Dieser Zeitraum steht für ein schwieriges Kapitel in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Unverhältnismäßige Maflnahmen quälten Land und Leute. Verfasste Grundrechte wurden von einem nicht verfassungsmäßig verankerten Gremium über lange Zeiträume außer Kraft gesetzt. Im Denken und Handeln der Menschen gerieten demokratische Werte und Selbstverständlichkeiten ins Wanken.
Vor dem Gesetz waren von heute auf morgen nicht mehr alle Menschen gleich.
Franz X. Scheuerer
Mit Ende der beruflichen Tätigkeit in der Psychotherapie und Organisationsentwicklung widmet sich Josch, neben dem Klavierspiel, mit Kreativität und Leidenschaft der Gestaltung von Skulpturen und plastischen Objekten aus Holz
und Metall.
Tun und Lassen,
Absicht und Zufall
sind wesentliche,
sich ergänzende Elemente in seiner künstlerischen Arbeit.
Wenn Frank Rosemann auf fotografische Endeckungstour geht, ist er nicht einfach Fotograf. Dann ist er auch das visuelle Trüffelschwein, das den oft unbeachteten Kunstschätzen an verfallenem Mauerwerk oder verwitternden Wänden nachspürt. Nicht von ungefähr fühlt Rosemann sich dann seelenverwandt mit den klassischen Höhlenforschern. Denn die Höhlenmalerei ist für ihn die älteste Wandkunst seit Menschengedenken. Sie ist für ihn Ausgangspunkt jener zeitgenössischen Wall-Art, wie wir sie aus vielen urbanen Quartieren dieser Welt kennen.
Bei seinen fotografischen Streifzügen und Entdeckungstou- ren versteht der Künstler sich ausdrücklich nicht als Dokumentator dieser Kunst. Vielmehr geht Frank Rosemann den stark erodierten Wandbildern und Graffitis visuell auf den Grund und wird zum Entdecker bis dahin unbeachteter Bilddetails. Er konzentriert seinen Blick auf den Bildaus- schnitt und arbeitet dessen poröse und amorphe Formen und Strukturen heraus.
Unter dieser Perspektive agiert er selbst künstlerisch und gestaltet neue abstrakte Bilder. Aus einer Kombination von ursprünglichem Motiv, den eingefrästen Spuren von Erosion und Zeit sowie durch seine künstlerische Intervention entstehen Frank Rosemanns morbide Schönheiten.
SCHALL UND HALL.
TON UND ECHO.
BILD UND ABBILD.
DRUCK UND GEPRÄGE.
KEINE SPUR OHNE ZEICHEN. KEIN IMPULS OHNE FOLGEN.
Johannes Groht spürt den Dingen fotografisch nach und geht ihnen auf den Grund. Mittels Ausschnitt, Positiv-Negativ-Umkehr, Steigerung von Kontrast und natürlicher Farbigkeit geleitet er uns in den Mikrokosmos unserer alltäglichen Utensilien. Erosion, Abnutzung, Kratzer und Flecken auf Gegenständen und Materialien nimmt er in den Blick. Er offenbart uns damit eine vielfältige Sammlung an Selbstportraits unserer gegenständlichen Welt.
Ob uralter Stein, abgefahrener Straßenbelag oder achtlos vernutztes Blech; in seinen Kos- mosgrafien eröffnet uns der Künstler ein über- raschendes Universum unbekannter visueller Räume. Damit erinnert er uns zugleich an den begrenzten Horizont unserer sinnlichen Wahr- nehmung. Und schenkt uns die Möglichkeit, uns assoziativ und schöpferisch dem Unsichtbaren und Verborgenen in unserer Welt zu nähern. Mich selbst haben die Kosmografien von Johan- nes Groht zu poetischen Wortspielen angeregt. Meine Verse sind zugleich der lyrische Gärstoff aus einer gesellschaftlichen Gemengelage von grassierender Furcht, existenzieller Unsicherheit und spürbarer zwischenmenschlicher Distanz.
Das Finanzkapital ist ein scheues Reh. Auf seinen ver- schlungenen Wegen tritt es mit seinem meist undurchsich- tigen Gebaren nur selten auf die Lichtung. Jeder Versuch sich diesem Tier zu nähern, gleicht einer erfolglosen Pirsch. Finanzkrise, Cum-Ex, wirecard stehen beispielhaft dafür. Darüber abstrakt zu diskutieren ist eher freudlos, wenig lustvoll und häufig frustrierend.
Der Hamburger Künstler Detlef Klein nähert sich bildnerisch diesem Thema, und setzt diesen unseren kapitalistischen Alltag malerisch ins Bild. In dem ihm eigenen Stil des Euphorischen Realismus spiegelt er in seiner Werkschau die Hintergründe unserer neoliberalen Lebenswelt. Seine malerische Präzision und die Schärfe seiner Konturierung lassen am Faktischen seiner Motive kaum Zweifel auf- kommen. Seine distanziert und kühl wirkende Formgebung entspricht den heutigen Umgangsformen des Leistens, Verkaufens, Konsumierens und Konkurrierens. Mit der Gesichtslosigkeit seiner Figuren setzt der Künstler dem
asozialen Pragmatismus und der sozialen Kälte unserer neoliberalen Realität mit Ironie und Süffisanz die Krone auf. Detlef Klein zeigt, wie die Täter und Opfer unserer Tage auf seltsam anmutende Weise unsere Welt prägen: Selbstschädigend, selbstgerecht, eitel, euphorisiert und häufig in selbstgefälliger Siegerpose. Ihre vom Künstler konsequent durchgehaltene Kopflosigkeit bildet dazu ein starkes Symbol.
Wahn und Wende
gerSCh* schuf den Großteil der vorliegenden Sammlung zwischen 2020 und 2021. Für den Künstler war dieser Zeitraum eine Phase der kommunikativen Enthaltsamkeit und des erzwungenen gesellschaftlichen Rückzugs. Entgegen des auferlegten kulturellen Stillstandes blieb gerSCh* künstlerisch aktiv und schuf die Serie Kraft der Stille. Die hier präsentierten Bilder sind die beredten Zeugen seines Empfindens während des wirtschaftlichen und kulturellen Lockdowns.
Die Werke vermitteln eine seltsame Ruhe und sprechen zum Betrachter zugleich mit hintergründiger Kraft. Ihre Ausstrahlung bewegt sich zwischen sensibler Stille und harscher Lautmalerei. Die Bilder schweben fast unmerklich im Raum und drängen sich gleichzeitig auf. Ihre innere Tiefe zeugt von Momenten der langen Weile und vermittelt dennoch visuelle Lebendigkeit.
gerSCh*s Malerei erzählt von der Kraft der Stille. Ihre kompositorische Struktur und die lautmalerische Farbigkeit sind die Sprache, mit welcher die Bilder über das künstlerische Aufbegehren eines Kulturschaffenden in einer bleiernen Zeit berichten.
Als junger Kunststudent wird Professor Hans Mrcozinski Zeitzeuge der Anfänge des sogenannten Formalismusstreits. Bei dieser Auseinandersetzung in der nach Kriegsende wieder auflebenden Kunstszene Ostdeutschlands geht es um die Rolle der Kunst und Kultur im aufzubauenden Sozialismus.
Wie definiert sich Kunst? Welche gesellschaftliche Bedeutung hat sie? Und wie soll Kunst gelehrt werden?
Nach der Katastrophe des Faschismus und auf dem Hintergrund des aufflammenden Systemwettbewerbs zwischen Ost und West handelt es sich um eine ideologische Auseinandersetzung, die schließlich Ende 1949 – nach Gründung der DDR – im Begriff des Sozialistischen Realismus als offizielle Doktrin ihren Niederschlag findet.
Historische Fotografie von Hans Mroczinski
Professor Hans Mroczinski lehrte von 1956 bis 1987 an der Kunstakademie Dresden Malerei. Als Kunststudent absolviert er die Schule von Hans Grundig, Wilhelm Rudolph, Josef Hegenbarth und Wilhelm Lachnit. Im Rahmen eines Studienaufenthalts reist er 1958 von Peking über Wuhan nach Shanghai. In seinem Reisegepäck: Pinsel, Staffelei und Kamera. Er malt, zeichnet und fotografiert Menschen, historische Stätten, Kulturschätze sowie Szenen des gesellschaftlichen Lebens und des Arbeitsalltages. Beispielhaft hierfür steht die in diesem artbooklet dokumentierte Fotoserie zum Staudammbau bei den Ming-Gräbern.
Die Reise Mroczinskis fällt in eine Ära des tiefgreifenden politischen Wandels innerhalb der KP China. Das Jahr 1958 ist geprägt von den Nachwirkungen der maoistischen Kampagne Lasst hundert Blumen blühen und der Ausrufung des Groflen Sprungs nach vorne. Auf diesem gesellschaftlichen Hintergrund sind Mroczinskis China-Bilder zu betrachten. Im Kontrast zum Entwicklungsstand des heutigen China gewähren die Fotos vielfältige Einsichten in Alltag und Arbeitsleben einer auch im heutigen China oft verdrängten Epoche.
Der Fotograf selbst bleibt von den Zeitläufen nicht verschont: Mroczinskis Rückkehr aus China nach Dresden im Sommer 1958 fällt zusammen mit dem politischen Konflikt um die sogenannte Generallinie zwischen der KPdSU Russlands und der KP China. Dies hat für ihn bitter zur Folge, dass er fortan seine Fotos, Zeichnungen und Landschaftsbilder in der DDR nicht öffentlich ausstellen kann. Die China-Sammlung von Hans Mrozcinski bleibt über 1989 hinaus bis heute in den Schubladen seines Archivs.
in der Malerei von Söntke Campen
Die Absicht
Die Absicht gleicht einem ungezähmten Pferd. Sie möchte die Hürde des Zweifels überspringen, scheut jedoch den Sprung. So bleibt die Absicht zunächst Vorsatz, Plan und abstrakte Idee. Mit dem ersten Pinselstrich, mit dem Einstieg in den kreativen Akt, erwächst dem Künstler das Wahrnehmbare, das Fassbare, das Sichtbare. Linien, Flächen und Farben entführen die bloße Vorstellung auf die Sphären der Leinwand. Orientiert an seiner Absicht entwickelt der Künstler die Komposition und gibt seiner abstrakten Idee die äußere Form des Bildes. Der Sprung ist getan, das Pferd ist gezähmt.
Der Zufall
Indem die Absicht die Hürde des Zweifels übersprungen hat, bahnt sich der Zufall seinen Weg. Jenseits aller klassischen Lehren von Farbe, Zentralperspektive oder goldenem Schnitt, löst der Künstler die Zügel der Absicht und befreit sein künstlerisches Schaffen von allen Regeln der Kunst. Im kreativen Parforceritt fallen ihm unvorhersehbare und überraschende Symbole, Formen und Farbeffekte zu. Unter Einfluss von Geistes Gegenwart bereichert der Zufall die Absicht des Künstlers.
Absicht und Zufall durchdringen den Künstler im Ringen um das Gelingen.
Franz X. Scheuerer
Wir durchschreiten ständig und meist unbewusst natürliches und künstliches Licht. Grell, bunt, fahl oder verschattet.
Licht ist flüchtig und prägt doch entscheidend unsere Gefühle und Stimmungen.
Carsten Sander arbeitet in seinen Lichtinstallationen derartige Momente heraus. In seiner Arbeit erschließt er unterschiedliche Dimensionen des Lichts. Er experimentiert mit der Wechselwirkung zwischen hell und dunkel, Farbe und Form, mit Bewegung und optischer Täuschung.
Die Orte seiner Illuminationen sind die Bühnen des Theaters, der Oper und des Tanzes.
Franz X. Scheuerer
MuT! – Ursprünglich ein Kürzel für Migration und Theater.
15 Jahre nach seiner Gründung im Jahre 2005 hat sich das künstlerische Selbstverständnis dieses freien Theaters verändert. Die kleine und charmante Bühne in der Amandastraße versteht sich heute als ein Theater der Vielfalt und fordert – durchaus doppeldeutig – von seinem Publikum aber auch von seinen darstellenden Küntlerinnen und Künstlern, den MuT zur Offenheit für kulturell Verschiedenes, Anderes und immer wieder Neues.
Lyrik und Malerei berühren sich
Deep Science war der Titel einer Ausstellung, die der Münchner Künstler Gerd Scheuerer in der Ulmer scanplus galerie über drei Etagen hinweg inszenierte. Komplexe Abstraktionen, aus tiefem Schwarz geboren, zum Licht und hin zu symbiotischer Farbigkeit drängend, oft großformatig, aber auch im Kleinen höchst eindrucksvoll. gerSCh*, so Scheuerers Künstler-name, zog die Besucher bildgewaltig in seinen Bann, füllte die Galerie mit philosophischer Durchdringung im Farbgrund, starken Verdichtungen und
sattem Fluss.
Christine Langer hat sich mit ihrer viel beachteten Lyrik und zahlreichen Veröffentlichungen im ganzen deutschsprachigen Raum Gehör verschafft. Zuletzt begeisterte sie mit ihrem Gedichtband Körperalphabet. Die Poetin wandelte ungezählte Male durch den Deep Science-Kosmos und sammelte hier tiefe Eindrücke und Gefallene Sterne. Was die Symbiose aus Lyrik und Malerei hier so außergewöhnlich macht: Die Dichterin ließ sich ohne doppelten Boden in die Farbwelt fallen, kannte beim Schreiben weder Bild-Titel noch die Intention des Künstlers, durchdringt das Werk aber zutiefst berührt und berührend im selben Seelenraum.
Udo Eberl, Kurator
Traum und Raum in der Malerei von Alejandro Soto Alvarez
Mit unserem Körper durchqueren wir Räume, Regionen, Kontinente. Er ist uns Hülle, Gefäß, Refugium: Ein Raum für Seele, Geist und Bewusstsein. Unser Körper ist die Quelle und der Ursprungsort unserer Gefühle, unserer Inspiratio- nen und unserer Träume. Er bietet Schutz und Sicherheit auf unseren Ausflügen durch Tagträume und nächtliche Traumreisen.
In seiner Werkschau inner spaces verweist Alejandro auf die Einheit von Körper und Geist, auf die Dualität von Raum und Traum. Für den Künstler ist der menschliche Körper in all seiner Schwäche und Begrenztheit zugleich ein unverzichtbarer Impulsgeber für Gefühle, Ideen, Asso- ziationen und Träume. In seinen Bildern gibt der Künstler diesen Träumen einen Raum. Er verortet das eigentlich nicht Begreifliche auf der Leinwand. Er raumatisiert seine Träume.
in der Malerei von Roland Doil
Das Surreale und das Absurde sind Geschwister des Schlafes. Im Traum begegnen uns bizarre Situationen. Sie befremden, verwirren, erschrecken gar. Der Alp geht mit uns durch. Er verknüpft alltägliche Gegenstände mit skurrilen Wesen. Zurückliegende Erlebnisse mit noch unerlebten Ereignissen. Banales mit Visionärem. Alles tanzt mit Allem seinen Reigen. Die Zeit spielt dabei keine Rolle. Das ist die malerische Welt des Roland Doil. Seine Motive bewegen sich in den Zwischenwelten des Surrealen. Auf dem Trittbrett vertrauter Formen und Körper nimmt uns der Künstler mit in die bizarren Sphären von Verwischung, Verzerrung und Verwirrung ins unübersichtliche Gelände der Fantasie. Die Malerei von Roland Doil ist ein ästhetisches Erlebnis für Träumerinnen und Fantasten.
Franz X. Scheuerer
Was erzählen uns die Bilder, wenn wir sie befragen? Was lösen sie in uns aus? Was sagen sie uns? Bilder berühren unsere Träume, erregen unsere Fantasie. Sie verführen uns zu Erklärungen, provozieren Behauptungen. Ihre Antworten sind stets unsere ureigenen. Jede Inter- pretation hält uns den Spiegel unserer Wünsche, Ängste und Sehnsüchte vor Augen. Mit jedem Gedanken, mit jedem Geistesblitz, mit jeder Idee bahnt sich der Surrealismus unseres Denkens und Fühlens seinen Weg. Die Kreativität muss sich entfalten. Die Gedanken sind frei.
10 Bilder von 10 Künstlerinnen und Künstlern
mit assoziativen Texten von Franz X. Scheuerer
Die in diesem artbooklet gezeigten Künstlerinnen und Künstler sind:
– Alejandro Soto Alvarez / Hamburg – Valparaiso
– Andreas Thal / Fotografie / Hamburg
– Claudia Berg / Malerei / Hamburg
– Gerd Scheuerer (gerSCh*) / Malerei / München
– Heidi Zuper / Malerei / Hamburg
– Mona Hakimi-Schüler / Malerei / Berlin-Teheran
– Reinhold Wiechmann / Fotografie / München-Hamburg
– Uli Zwerenz / Malerei / München
– Uwe Oldenburg / Malerei / München
in der Fotografie von Andreas Thal
Im Interview erklärt der Hamburger Fotograf Andreas Thal sein Verständnis von Abstraktion und Verfremdung als Ausdrucksmittel seiner künstlerischen Fotografie. Franz X. Scheuerer, der auch Ausstellungen von Andreas Thal kuratiert, befragt den Fotokünstler zu seinem Konzept zwischen authentischer Darstellung der Wirklichkeit und ihrer gezielten Verfremdung und Abstrahierung mittels fotografischer Techniken.
Franz X. Scheuerer
Szenische Fotografie von Andreas Thal
Die Betrachtung von Kunstwerken ist ein Akt des Schauens, des Bedenkens, der Abwägung. Am musealen Ort erwartet das Publikum Erlebnisse von Besonderheit, Verfremdung oder gar Verzauberung. Seien es intellektuelle Vertiefung, Schaulust oder Voyeurismus: Ein Austausch zwischen dem Kunstwerk und den Betrachtern nimmt seinen Lauf. Der Künstler gibt sich preis, das Publikum genießt, abstrahiert und interpretiert. Die Gedanken sind frei. In dieser Atmosphäre der Kunstbetrachtung findet Andreas Thal seine Motive. Die unsichtbare Zwischenwelt des Abstands, der Nähe und der Räumlichkeit zwischen den Betrachtenden und dem Kunstwerk bieten ihm den Gegenstand seiner fotografischen Perspektive. Andreas Thal zeigt in seiner Werkschau Kunstbetrachtung die Faszination von innerer Einkehr, intimer Selbstversunkenheit und aktiven Schauens: Der Fotograf als Kunstbetrachter der Kunstbetrachtung.
Franz X. Scheuerer
in der Malerei von Alejandro Soto Alvarez
Grenzen sind unsichtbare, meist willkürlich gezogene Linien. Mauern bilden sichtbare und machtwirksame Hindernisse. Horizonte sind Freiheitsversprechen. Alejandro Soto Alvarez thematisiert in seiner frühen Malerei sowohl die Durchlässigkeit von Grenzen, das Trennende von Mauern wie auch die Sehnsuchtslinie des Horizonts. Als Wanderer zwischen den Welten ist Grenzüberschreitung ein bedeutsamer Teil seiner Biografie. Auch unter künstlerischer Perspektive ist ihm die Überwindung von inneren und äußeren Mauern Anliegen und Heraus- forderung. Das Interview mit Alejandro Soto Alvarez Über Grenzen, Mauern und Horizonte in seiner Malerei, bietet fragmentarische Einblicke in das bildnerische Denken des Künstlers sowie in seine Stilistik zwischen betont geometrischer Linienführung und freier, abstrakter Malerei.
Franz X. Scheuerer
Eine Kunstaktion in Entwicklung
Der Hamburger Fotograf und Aktionskünstler Kurt W. Hamann hat ab 2001, dem Baubeginn des ersten Gebäudes in der HafenCity, alle städte-baulichen Etappen des neu entstehenden Quartiers fotografisch begleitet. Insofern ist Kurt W. Hamann ein wichtiger Fotochronist dieses neu entstandenen und weiter wachsenden Hamburger Stadtteils. Dabei versteht Hamann sich nicht ausschließlich als Fotograf mit dem Blick für die zukunftsweisenden Möglichkeiten des neuen Quartiers. Er engagiert sich mit seinen Ideen und mit seinem künstlerischen Knowhow auch für die kulturellle Entwicklung der stetig wachsenden HafenCity. Beispielhaft hierfür steht die mit einem befreundeten Architekten entworfene Skulptur RespekT, welche ihren Platz im öffentlichen Raum der HafenCity noch finden muss.
Franz X. Scheuerer
in der Malerei von Gerd Scheuerer
Das Interview Über die Selbstermächtigung in seiner Malerei, ist ein weiteres Puzzle aus den Brüderlichen Gesprächen zwischen dem Maler Gerd Scheuerer (gerSCh*) und seinem Bruder Franz X. Scheuerer. Es entstand per Mail als virtuelles Ateliergespräch zwischen Hamburg und München und bewegt sich thematisch im Spannungsverhältnis zwischen dem Privileg der gestalterischen Freiheit und der sich daraus ergebenden ökonomischen Konsequenzen für die Existenz als Künstler.
Franz X. Scheuerer
Auf der Grundlage des schwarz-weiß Fotostreifens Verschlinge mein Herz von Reinhold Wiechmann, entwickelt gerSCh* auf dem Computer seine ganz eigene künstlerische Vorstellung dieser Tanzperformance. Mit Hilfe von Fotoshop-Techniken entwirft der Künstler ein Panoptikum von Farben, Formen und irritierenden Verfremdungen. Mit seinen faszinierenden Kunststreifen liefert der Künstler zugleich ein Beispiel seines Verständnisses über den Akt künstlerischer Selbstermächtigung.
in der Malerei von Gerd Scheuerer
Dieses Interview Über die Kraft ist ein weiteres Puzzleteil aus den Brüderlichen Gespräche zwischen dem Maler Gerd Scheuerer (gerSCh*) und seinem Bruder Franz X. Scheuerer. Es entstand per Mail als virtuelles Ateliergespräch zwischen Hamburg und München und bietet fragment-arische Einblicke in das bildnerische Denken des Künstlers sowie in seine Reflektionen über die innere Kraft von Bildern sowie über die Klippen der menschlichen Wahrnehmung bei visueller Überflutung.
Franz X. Scheuerer
Das Interview Über das Sichtbare und Unsichtbare ist ein weiterer Auszug aus den Brüderlichen Gesprächen zwischen dem Maler Gerd Scheuerer (gerSCh*) und seinem Bruder Franz X. Scheuerer. Es entwickelte sich per Mail als virtuelles Ateliergespräch zwischen Hamburg und München und bietet fragmentarische Einblicke in das bildnerische Denken des Künstlers sowie in seine Reflexionen über Abstraktion, menschliche Wahrnehmung und Sehgewohnheit.
Franz X. Scheuerer